Krippenspiel gegen die Einsamkeit

24.12.2016

Krippenspiel gegen die Einsamkeit

Als sie zwischenzeitlich ohne Pfarrer dastanden, griffen die Mehlsdorfer zur Selbsthilfe. Ihr Krippenspiel hat sich zum gemeinsamen Ausklang des Jahres entwickelt und soll vor allem Alleinstehenden etwas Gemeinsamkeit geben Zudem erinnert das Treffen daran, dass die etwas versteckte, aber reich dekorierte Kirche dringend saniert werden muss.

Mandy Giesche (l.) und Kathrin Mersch schmücken den Baum in der Kirche.
Quelle: Peter Degener
Mandy Giesche (l.) und Kathrin Mersch schmücken den Baum in der Kirche.
 
 
 
 

Mehlsdorf. Seit einigen Jahren schon verbringen die Mehlsdorfer den Heiligabend nicht nur in Familie, sondern als ganze Dorfgemeinschaft in ihrer Kirche. „Wir wollen nicht, dass zu Weihnachten jemand allein sein muss – und es gibt ein paar Alleinstehende und Verwitwete im Dorf“, erklärt Ortsvorsteherin und Gemeindekirchenrätin Kathrin Mersch. die Idee

„Entstanden ist das ursprünglich aus einer Not heraus“, sagt sie. Als der 130-Seelen-Ort vor einigen Jahren eine Zeit lang ohne Pfarrer dastand, kam den Mehlsdorfern der Gedanke, sich auch ohne das Ziel einer Messe gemeinsam in der Kirche einzufinden und allen Bürgern die Gelegenheit zu geben, sich zum Jahresende noch einmal zu sehen. Es begann ganz einfach mit Gesang des Männerchores vor der Kirche, doch vor fünf Jahren wagten die Mehlsdorfer den Schritt in das Haus. Mittlerweile führen sie ein ganzes Programm aus Krippenspiel, Gedichten und Weihnachtsliedern auf. Auch in diesem Jahr wird die 350 Jahre alte Kirche ab 21 Uhr zum Treffpunkt.

Die Dorfkirche von Mehlsdorf

Die Dorfkirche von Mehlsdorf.

Quelle: Peter Degener

„Wir haben kaum Kinder im Ort, deshalb spielen bei uns nur die Erwachsenen dieses Krippenspiel“, sagt Mersch. So bekommt seit Jahren schon dasselbe Ehepaar zu Weihnachten ein Christkind. In wechselnden Rollen werden Wirte, Hirten und die Heiligen Drei Könige dargestellt. „Anfangs sind wir das Krippenspiel sehr traditionell angegangen, aber dann haben wir es auf ungewöhnlichere und auch amüsantere Art probiert“, sagt Mitstreiterin Mandy Giesche vom Traditionsverein Wolfstein Mehlsdorf. „Es kommt bei unseren Krippenspielen auch immer zum Tragen, dass das Weihnachtsfest nicht nur Kommerz ist“, sagt Giesche, während die zwei Frauen den Weihnachtsbaum in der üppig dekorierten Kirche schmücken.

In diesem Jahr steht zum Beispiel der Stern im Mittelpunkt, der den Weisen aus dem Morgenland den Weg weist. Aus seiner Sicht soll die Weihnachtsgeschichte erzählt werden. „Es geht uns nicht um hochwertiges Theaterspiel, sondern um ein gemeinsames In-sich-Gehen. Wir wollen den Gedanken anregen, dass es uns doch eigentlich gut geht“, sagt Mersch. „Große Vorbereitungen braucht es nicht. Die Gruppe ist eingespielt und eine Stellprobe am Vortag reicht aus. „Das darf gar nicht so richtig klappen bei der Probe“, sagt Mersch.

Mandy Giesche (l) und Kathrin Mersch schmücken den Baum in der Kirche

Mandy Giesche (l.) und Kathrin Mersch schmücken den Baum in der Kirche

Quelle: Peter Degener

Während der Pfarrer des Ortes sich an Heiligabend seitdem vorrangig um die anderen elf Kirchen seines Sprengels kümmert, kommen in Mehlsdorf mehr als 100 Menschen ganz ohne den geistlichen Beistand zusammen und versuchen trotz allem, den Sinn des Festes hochleben zu lassen. „Wir halten selbst eine kleine Fürbitte und freuen uns, zum Jahresende noch einmal zusammen zu sein“, sagt die Ortsvorsteherin. Nicht jeder Mitwirkende ist Mitglied der Gemeinde und auch Gäste sind bei der Vorstellung willkommen, wobei inzwischen jeder Platz im Kirchenschiff und auf der Orgelempore besetzt ist.

Ein Nebeneffekt ist der Fokus auf das Kirchengebäude selbst, das sich nicht im Ortskern befindet, sondern etwas versteckt hinter dem alten Schulgebäude auf einem alten Gutshof steht. Im Sommer wurde das große 350-jährige Jubiläum der Kirchweihe im Jahr 1666 gefeiert. Seit zwei Jahren sammeln die Mehlsdorfer Spenden für die Restaurierung des Hauses. Das Dach und der Turm müssen dringend erneuert werden. Rund 680 000 Euro sind dafür nötig.

Zwei Glocken wurden in den Weltkriegen eingeschmolzen und nie ersetzt und die Orgel fiel einem Marder zum Opfer. „Wir bemühen uns um Fördermittel und an jedem Jahresende hoffen wir darauf, dass wir im kommenden Jahr mit der Sanierung beginnen können“, sagt Kathrin Mersch. Aufgeben werden die Mehlsdorfer nicht. Ganz im Gegenteil: obwohl die Pfarrstelle längst wieder besetzt ist, wollen sie ihre weihnachtliche Selbsthilfe-Tradition nicht mehr aufgeben.

Von Peter Degener